7. Anhang

7.1. Digitisierung und Digitalisierung

Im englischen Sprachraum findet eine Unterscheidung zwischen Digitization und Digitalization statt, beides wird im deutschen Sprachraum jedoch meist mit Digitalisierung übersetzt. Deshalb ergibt es Sinn, an dieser Stelle kurz auf diese thematische Verbindung einzugehen. Eine kompakte Definition findet man zum Beispiel bei C. Gong1, aber auch bei anderen Autoren2.

  • Digitization bezieht sich hauptsächlich auf den Prozess, analoge Signale oder auch Papierausdrucke in digitale Formate, Dateien oder Dokumente zu übertragen. Computer speichern, verarbeiten oder leiten sie im digitalen Format weiter. Das betrifft bereits ganze Geschäftsprozesse, wenn etwa eine manuelle Unterschrift eine digitale Signatur ersetzt, was im Allgemeinen eher dem Themenkomplex der Digitalization zuzurechnen ist. Digitization steht somit für den Prozess des Wandels von analoger zu digitaler Form (auch „Digital Enablement“ genannt). Ein analoger Prozess wird in eine digitale Form umgewandelt, ohne dass sich der Prozess selbst verändert.
  • Digitalization ist Teil des Informationsmanagements und fügt diesem Aspekte hinzu, die es zuvor nicht gab. Man kann daher von einer Erweiterung des Informationsmanagements sprechen. Digitalization begreift sich als Anwender und Nutzer der Digitization, und zwar in einem breiteren sozialen und institutionellen Kontext, der komplette Geschäftsmodelle verändern kann. Digitalization lässt sich also als Einsatz digitaler Technologien erklären, um ein Geschäftsmodell zu ändern und neue Umsatz- und Wertschöpfungsmöglichkeiten zu bieten. Es handelt sich um einen Prozess, der die Umstellung auf ein digitales Geschäft beschreibt.

7.2. Literaturdiskussion zu Embodied Intelligence

Der Begriff verkörperte künstliche Intelligenz (Embodied Artificial Intelligence) findet seit mehreren Jahren in unterschiedlicher Form Verwendung. Deshalb lohnt es sich, die unterschiedlichen Sichtweisen auf diesen Begriff zu beleuchten.

Bereits im Jahr 2002 führte Rolf Pfeifer3 das Konzept der ecological balance ein, mit dem er das Agieren eines Agenten mit verkörperter Intelligenz beschreibt. Ein Agent ist eine abgrenzbare Hardware- und/oder Software-Einheit mit definierten Zielen. Ein technischer Agent möchte diese Ziele durch selbstständiges Verhalten erreichen und interagiert dabei mit seiner Umgebung und anderen Agenten.4 In seiner Publikation geht Pfeifer auf die Entwicklung und den Erfolg von algorithmengestützten Ausprägungen von künstlicher Intelligenz ein, wobei er beispielsweise den Schachcomputer Deep Blue, Suchmaschinen im Internet oder sprachgesteuerte Informationssysteme nennt. Er merkt an, dass diese Systeme keinen signifikanten Beitrag zum Verständnis der natürlichen Form von Intelligenz leisten konnten. Im Laufe der Zeit setzte sich jedoch die Erkenntnis durch, dass Intelligenz nicht vorwiegend als eine Frage von Algorithmen, sondern vielmehr als die Interaktion eines Agenten mit der realen Welt zu verstehen ist. Damit verlagerte sich die Aufmerksamkeit laut Autor auf den Aspekt der Verkörperung. Folglich begannen Forscher, vor allem Roboter als Arbeitspferde zu benutzen. Dadurch kamen viele neue Fragen und Anforderungen auf, die sich nicht nur mit starren Algorithmen bewältigen lassen.

Bisher gab es Versuche, Fähigkeiten wie Denken und Urteilen auf hohem Niveau direkt in einer Form der künstlichen Intelligenz zu abstrahieren. Im Rahmen der Verkörperung verlagert sich der Fokus nun auf Prozesse zur Adaption und zum Lernen in der realen Welt. Laut Pfeifer ist eine wichtige Implikation der Verkörperung, dass nicht nur das neurale System allein, sondern der gesamte Agent, seine Morphologie und die Materialien, aus denen er besteht, sein adaptives Verhalten bestimmen. Das Verhältnis all dieser Aspekte zueinander bezeichnet er als ecological balance. Dieses Konzept betrifft zum einen das Zusammenspiel des Sensorsystems, des motorischen Systems und des neuronalen Kortex und zum anderen das Verhältnis zwischen Morphologie, Material und Kontrolle.

Die Verkörperung hat zwei Implikationen: eine physikalische und eine informationstheoretische. Erstere ist verknüpft mit physikalischen Kräften, Reibung, Vibrationen und Energieverbrauch; die zweite mit dem Verhältnis zwischen Sensorsignalen, Motorsteuerung und neuronalem Kortex. Letztlich erzeugt der Agent durch die Interaktion mit der realen Welt aktiv eine sensorische Stimulation, auch sensomotorische Kopplung genannt. Dies impliziert, dass ein Agent durch die Interaktion mit der realen Welt aktiv sensorische Daten erzeugen und strukturieren kann. Aus Pfeifers Sicht besagt das Paradigma der verkörperten Intelligenz, dass sich Intelligenz von der Interaktion eines Agenten mit der realen physischen Welt ableitet.

Unterschiedliche Sichtweisen auf dieses Thema zeigt ein Übersichtsartikel von Ron Chrisley aus dem Jahr 20035. Darin versteht er die verkörperte künstliche Intelligenz als Konzept zur Weiterentwicklung von künstlicher Intelligenz und betrachtet die Notwendigkeit beziehungsweise Auswirkung der Verkörperung. Nach Chrisley gibt es zum „Körper“-Begriff einer verkörperten künstlichen Intelligenz unterschiedliche Ansätze. Er unterscheidet zwischen vier verschiedenen Konzepten der Verkörperung:

  1. Die physische Realisierung: Das System muss hauptsächlich aus einer Art physikalischem Substrat oder Trägermaterial bestehen.
  2. Die physische Verkörperung: Das System muss in einer kohärenten, integralen und physischen Struktur vorliegen.
  3. Die organismenartige Verkörperung: Die physische Realisierung des Systems muss einige charakteristische Eigenschaften mit den Körpern von natürlichen Organismen gemeinsam haben, aber nicht im eigentlichen Sinne lebendig sein.
  4. Die organische Verkörperung: Die physische Realisierung des Systems muss nicht nur organismenartig sein, sondern auch tatsächlich organisch und lebendig6.

In seinem Artikel legt Ron Chrisley verschiedene wissenschaftliche Auffassungen zum Verständnis des Einflusses der Verkörperung auf die Wesensgestalt der Intelligenz dar, wobei er sich hauptsächlich auf informationstheoretische Betrachtungen stützt. Dabei treten unterschiedliche Sichtweisen zwischen dem Autor und anderen Wissenschaftlern zutage, die sich intensiv mit dem Zusammenhang von GOFAI (good old-fashioned artificial intelligence), dem traditionellen, algorithmenbasierten Ansatz der künstlichen Intelligenz, und Eigenschaften verkörperter künstlicher Intelligenz auseinandersetzen.

Etwa zur gleichen Zeit gab es im Jahr 2003 auch auf Symposien Überlegungen zum Themenkomplex der verkörperten künstlichen Intelligenz. Beispielhaft sei dies mit dem Seminar von F. Lida, R. Pfeifer, L. Steels und Y. Kuniyohi7 belegt. Der Prozess der Verkörperung setzt eine Interaktion mit physikalischen Systemen in der realen Welt voraus, zum Beispiel durch Roboter. So verfügen Roboter – im Gegensatz zu reinen Computern – über ein breit angelegtes sensomotorisches Repertoire an Funktionen, das sie mit der äußeren Welt verbindet. Die Verkörperung künstlicher Intelligenz wird in diesem Seminar als Paradigma dargestellt, welches eine synthetische Methodologie bemüht und drei Ziele verfolgt:

  • Erstens: ein Verständnis des biologischen Systems.
  • Zweitens: die Abstrahierung genereller Prinzipien intelligenten Verhaltens.
  • Drittens: Die Anwendung dieses Wissens, um künstliche Systeme wie Roboter oder generell intelligente Geräte zu bauen.

Folglich befasst man sich, so die Autoren, nun nicht mehr nur in Laboren der Computerwissenschaft mit diesem Themenkomplex, sondern auch in den Fachrichtungen Robotik, Biologie und Ingenieurwissenschaften. Die Verkörperung gilt hier als weiterer Entwicklungsschritt der künstlichen Intelligenz, wobei die Kooperation neben den bereits genannten viele weitere Bereiche umfasst: Neurowissenschaften, Biomechanik, Materialwissenschaften, Informatik, kognitive Psychologie, Linguistik und Philosophie. Diese gesamte transdisziplinäre Arbeitsgemeinschaft trägt im Seminar den Namen „Embodied Artificial Intelligence“.

Im Jahr 2015 hat A. Cangelosi8 die verkörperte Intelligenz als computergestützten Ansatz für den Entwurf und das Verständnis intelligenten Verhaltens in verkörperten und situierten Agenten beschrieben. Dies geschieht durch die Berücksichtigung der strikten Kopplung zwischen dem Agenten und seiner Umgebung, vermittelt durch die Zwänge des eigenen Körpers, des Wahrnehmungs- und Motoriksystems und des Gehirns (Verkörperung) des Agenten.

Die Entstehung des Bereichs der verkörperten Intelligenz steht in engem Zusammenhang mit parallelen Entwicklungen in der Computerintelligenz und der Robotik. Dort liegt der Schwerpunkt auf morphologischer Berechnung und sensomotorischer Koordination in evolutionären Robotikmodellen. Aber auch die Neuro- und Kognitionswissenschaften, in denen Schwerpunkte auf verkörperter Kognition und entwicklungsrobotischen Modellen des verkörperten Symbollernens liegen, spielen eine wichtige Rolle.

In jüngster Zeit werden sogar Ideen und Prinzipien der Verkörperung auf die Weiterentwicklung der verkörperten Intelligenz projiziert. Dies beschrieben im Jahr 2019 die Autoren um David Howard9 als „Multi-Level-Evolution“ (MLE). Dabei handelt es sich um einen automatischen Designprozess für Roboter, der sich über viele Ebenen erstreckt und auf bestimmte Umgebungsbedingungen spezialisiert ist – beginnend bei der Materialauswahl bis hin zur Fertigstellung der Maschine. Die Autoren geben einen Zeithorizont für unterschiedliche Stufen der MLE-Entwicklung an: In Phase eins werden innerhalb von fünf Jahren prototypische MLE-Systeme online gehen und sich über viele Forschungsinstitute verbreiten. Dort entstehen mithilfe von menschlichen Eingriffen weiterentwickelte Roboter unter kontrollierten Laborbedingungen. In Phase zwei, also etwa im Jahr 2029, schaffen es MLE-Systeme, Roboter herzustellen, die für eine geeignete und begrenzte Mission in der realen Welt zum Einsatz kommen können. Integrierte Konstruktionstechnologien beschleunigen diese Evolution und reduzieren dabei das Maß der menschlichen Einflussnahme. In Phase drei (nach etwa zwanzig Jahren) erfolgt der Einsatz von MLE-Systemen unter realen Umweltbedingungen. Die Modelle werden komplexer und höhere Computerkapazitäten werden verfügbar sein, monolithische Auswahlprozesse werden verschmelzen und so das Zusammenspiel zwischen Materialauswahl, Morphologie und Gestaltungsformen steigern.

Ein weiterer Aspekt im Rahmen der Beschreibung von verkörperter künstlicher Intelligenz (Embodied Artificial Intelligence, EAI) ist die verkörperte Kognition oder Erkenntnis (Embodied Cognition, EC), die Ricardo Manzotti10 beschreibt. In den letzten drei Jahrzehnten artikulierte sich die zunehmende Beschäftigung mit EC in unterschiedlichen Versionen von verkörperter, eingebetteter, erweiterter und verordneter Kognition, was sich grob zusammengefasst als verkörperte künstliche Intelligenz bezeichnen lässt. Die Begriffsfindung für verkörperte künstliche Intelligenz ist jedoch laut Autor nicht streng definiert. Er schlägt eine Verbindung zwischen künstlicher Intelligenz und einem ganzen Cluster von Denkansätzen unter der Bezeichnung EC vor. Historisch gesehen ist EAI eine Reaktion auf den Begriff der klassischen künstlichen Intelligenz und ihre Limitierungen. Verkörperung im Rahmen der EAI bedeutet, dass der AI-Agent physisch implementiert sein muss. EAI und EC charakterisiert der Autor dadurch, dass die Kognition erst durch Wechselwirkungen zwischen Umgebung und Körper entsteht.

Es kündigt sich also ein Paradigmenwechsel an – von der künstlichen Intelligenz auf Internetbasis hin zu einer verkörperten Intelligenz, bei der die Lernfähigkeit der künstlichen Intelligenz nicht nur von bereits vorhandenen Informationen abhängt, sondern vor allem durch Interaktionen mit der Umgebung von einem egozentrischen Standpunkt aus beeinflusst wird. Diese Auffassung erläutern Jiafei Duan und weitere Autoren.11 Demnach gibt es eine substanziell wachsende Nachfrage an Simulatoren für verkörperte künstliche Intelligenz, um unterschiedliche Forschungsschwerpunkte zu unterstützen. Die in den Simulatoren generierten künstlichen Welten dienen zum Training und Testen der Agenten mit verkörperter künstlicher Intelligenz, bevor diese den Bedingungen der realen Welt ausgesetzt werden können. Mit den Simulatoren lässt sich das Verhalten und Lernen dieser Agenten in den drei wichtigsten Kategorien untersuchen: visuelle Erkundung, visuelle Navigation und letztlich verkörperte Frage-und-Antwort-Situationen.

Als Trend in der Diskussion um ethische Fragestellungen neuartiger Technologien gilt die Behandlung von Roboterethik als einem Teilaspekt der Ethik künstlicher Intelligenzen, wie Ajung Moon12 darlegt. Bis heute sind zahlreiche ethische Prinzipien und Rahmenbedingungen publiziert worden, die sich mit künstlicher Intelligenz und Robotik auseinandersetzen. Doch es sind gerade einmal zwei Standards erschienen, die sich mit dem ethischen Design von Robotern befassen. Die Verfasser dieser Studie sind der Meinung, dass ethische Fragestellungen umfassender in den Fokus rücken müssen, um eine Brücke zwischen ethischem Denken und konstruktiver Gestaltung zu schlagen. Bei der Entwicklung von Robotern ist die Berücksichtigung ethischer Normen unumgänglich.

  1. Gong, Cheng; Ribiere, Vincent: „Developing a unified definition of digital transformation“, Technovation, Volume 102 (2021), 102217, ISSN 0166-4972: https://doi.org 
  2. Gartner: „Digitization“: www.gartner.com 
  3. Pfeifer, Rolf: „Embodied Artificial Intelligence On the role of morphology and materials in the emergence of cognition“, slightly edited version of a paper published in the proceedings of the workshop „The legacy of Grey Walter“, Bristol, UK (14.–16. August 2002): https://dl.gi.de 
  4. VDI-Richtlinie 2653 Blatt 1: Agentensysteme in der Automatisierungstechnik – Grundlagen, 2010. 
  5. Chrisley, Ron: „Embodied artificial intelligence“, Elsevier Artificial Intelligence 149 (2003), S. 131–150. 
  6. Das wirft die Frage auf, welche Voraussetzungen erfüllt sein müssen, damit ein Objekt als lebendig gilt. Es existieren unterschiedliche Antworten auf diese Fragestellung, welche die Eigenschaften eines Metabolismus und die Fähigkeit zu Reproduktion, Regeneration und Wachstum beinhalten. Auch autonomes Verhalten und die Befähigung zur Autopoiesis (Selbstherstellung), wie es beispielweise durch Maturana und Valera 1980 oder von Uexküll 1928 beschrieben wurde, spielen eine Rolle. 
  7. Iida, Fumiya; Pfeifer, Rolf; Steels, Luc; Kuniyoshi, Yasuo: „Embodied Artificial Intelligence: International Seminar, Dagstuhl Castle, Germany, July 7–11, 2003“, Revised Selected Papers, Springer Verlag Berlin (2004), ISBN 9783540278337: www.researchgate.net 
  8. Cangelosi, A.; Bongard, J.; Fischer, M. H; Nolfi, S.: „Embodied Intelligence“, in: J. Kacprzyk & W. Pedrycz (Eds.), Springer Handbook of Computational Intelligence, Preprint (2015), S. 697–714: www.researchgate.net 
  9. Howard, David; Eiben, Agoston E.; Kennedy, Danielle Frances; Mouret, Jean-Baptiste; Valencia, Philip; Winkler, Dave: „Evolving embodied intelligence from materials to machines“, Nature Machine Intelligence 1 (2019): https://doi.org 
  10. Manzotti, Ricardo: „Embodied AI beyond Embodied Cognition and Enactivism“, Philosophies 4(3),39 (2019): https://doi.org 
  11. Duan, Jiafei; Yu, Samson; Li, Tan; Zhu, Hongyuan; Tan, Cheston: „A survey of embodied AI: from simulators to research tasks“, Preprint (2021): www.researchgate.net 
  12. Moon, Ajung; Rismani, Shalaleh; Van der Loos, H. F. Machiel: „Ethics of Corporeal, Co-present Robots as Agents of Influence: A Review“, Current Robotics Reports 2 (2021), S. 223–229.