3. Digitale Ökonomie

Der Begriff „Digitale Transformation“ geht zurück bis ins Jahr 2000 und wird seitdem oft in unterschiedlichem Kontext und unterschiedlichem Verständnis verwendet. Die Beschreibung in der Literatur reicht von der unspezifischen Feststellung, es handele sich um eine gesellschaftliche Metaentwicklung1, bis hin zu komplexen wissenschaftlichen Analysen, die hier im weiteren Verlauf noch beleuchtet werden. Unter der digitalen Transformation kann man sich einen Prozess vorstellen, bei dem digitale Technologien zum Einsatz kommen, die neue disruptive Geschäftsmodelle, Geschäftskulturen und Kundenbeziehungen schaffen oder bestehende verändern, um so den veränderten Marktbedürfnissen Rechnung zu tragen.2 Hierbei kann sich die digitale Transformation auf alle möglichen Aspekte beziehen – von der Modernisierung der IT-Landschaft bis hin zur Erfindung von komplett neuen digitalen Geschäftsmodellen.3 Zunächst lohnt sich jedoch ein Blick auf den Begriff der Digitalisierung, die ja an sich noch keinen transformatorischen Charakter hat. Sie stellt jedoch einen wesentlichen Basisbaustein der digitalen Transformation dar. Und zusammen mit veränderten Kundenbedürfnissen und daraus getriebenen Neu- und Anpassungsentwicklungen bei den Unternehmen wird sie schließlich zur digitalen Transformation.4

Digitale Transformation
Abbildung 1: Interaktionen in der digitalen Transformation nach „Die Medialen“5

3.1. Digitale Transformation

Digitale Transformation ist der kulturelle, organisatorische und betriebliche Wandel eines Unternehmens, einer Branche oder eines Ökosystems. Auch gesellschaftliche und staatliche Institutionen verändern sich schrittweise durch eine intelligente Integration digitaler Technologien, Prozesse und Kompetenzen auf allen Ebenen und in allen Funktionen. Die digitale Transformation nutzt Technologien zur Schaffung von Werten und neuen Dienstleistungen für verschiedene Interessengruppen (Kunden im weitesten Sinne), zur Innovation und zum Erwerb von Fähigkeiten zur schnellen Anpassung an sich ändernde Umstände.

Die Aspekte der Digitization und Digitalization sollte man bei Verwendung des Begriffs der Digitalisierung berücksichtigen, wobei der Begriff der digitalen Transformation noch einen wesentlichen Schritt weiter geht. Diese ist nicht nur technischer Natur, sondern auch stark mit Unternehmensstrategie, Menschen, Einstellungen und Führungscharakter auf einer eher strategischen Ebene verwoben. Die Umsetzung von Produkten in digitale Formate und die damit verbundenen Veränderungen in Arbeitsabläufen, Kommunikationspfaden oder neuen Verbindungen organisatorischer Einheiten im Unternehmen führen oft auch zu einem umfassenden Wandel in der Firma. Sie stellen an sich aber noch keine Transformation dar, sondern sind eher dem Feld der Digitization zuzurechnen. Die Erneuerung von Geschäftsmodellen und Prozessen, die neue digitale Geschäftsmodelle eröffnen, geht hier schon einen Schritt weiter, ist aber eher der Digitalization zuzuordnen, auch wenn in dieser Stufe bereits wertsteigernde geschäftliche Ökosysteme durch digitale Plattformen geschaffen werden. Die eigentliche digitale Transformation liegt jedoch in einer fundamentalen Transformation der Geschäftsbeziehungen, Institutionen und gesellschaftlichen Gruppen. Dabei entwickeln sich disruptive digitale Geschäftsmodelle, die umfassend auf unterschiedliche digitale Technologien setzen. Die folgenden Grafiken verdeutlichen diese Struktur.

Aufgrund einer fehlenden verbindlichen Definition von digitaler Transformation erarbeiteten C. Gong und V. Ribiere6 eine Begriffsdefinition, für die sie mehr als hundert Veröffentlichungen untersuchten, die sich mit diesem Themengebiet auseinandersetzen. Dabei differenzierten sie zwischen Digitalization und Digitization. Im Gegensatz zu einer rein subjektiven Betrachtung erfolgte eine sorgfältig abgestimmte Literaturrecherche in den Datenbanken SCOPUS, EBSCO und Google Scholar. Das Ergebnis waren 134 Definitionen, die sich auf Veröffentlichungen zwischen 2000 und 2019 stützen. Die Autoren kategorisierten die Ergebnisse durch eine sorgfältige Analyse und konnten daraus 61 Definitionen zur weiteren Untersuchung ableiten. Es gelang ihnen, als wesentliches Charakteristikum die weitreichende Komplexität der digitalen Transformation zu identifizieren. Aufgrund dieser Komplexität kann ihre Umsetzung in einem Unternehmen nicht einfach im Rahmen des herkömmlichen Projektmanagements erfolgen – auch umfassende, die gesamte Firmenstruktur betreffende Veränderungen spielen eine Rolle. Unterschiedliche Veränderungen und Durchbrüche müssen auf verschiedenen Ebenen von Industrie, Gesellschaft und Geschäftsorganisationen ineinandergreifen, damit die einzelnen Ebenen der digitalen Transformation verschmelzen können. Die Autoren schickten anschließend eine Arbeitshypothese zur Digitale-Transformation-Definition an 60 Experten aus den Bereichen Wissenschaft und Geschäftswelt zur Überprüfung und überarbeiteten sie nach dem Feedback. Dies führte schließlich zu folgender Definition7 (sinngemäß aus dem Englischen übersetzt):

„Die digitale Transformation ist ein grundlegender Veränderungsprozess, der durch den innovativen Einsatz digitaler Technologien und die strategische Nutzung von Schlüsselressourcen und -kapazitäten ermöglicht wird. Er zielt darauf ab, eine Entität* radikal zu verbessern und ihr Wertversprechen für ihre Stakeholder neu zu definieren.“

* Eine Entität kann eine Organisation, ein Geschäftsnetzwerk, eine Branche oder eine Gesellschaft sein. Das Gebilde erinnert auch daran, dass die digitale Transformation nicht nur ein organisatorisches Problem ist, sondern mehr und mehr zu einer Herausforderung und Notwendigkeit für das Ökosystem und die Gesellschaft wird.

Die Hauptaussagen dieser Arbeit bildeten die Verfasser in einem begleitenden Flussdiagramm ab, das hier (siehe Abbildung 2) inhaltgemäß nachgezeichnet wurde. Die dargestellten Struktur­elemente und ihre Beziehungen fungieren als Bausteine und Bauplan der digitalen Transformation, mit denen spezifische und individuelle Ausprägungen charakterisiert werden können. Dies wird für den konkreten Entwurf der verkörperten künstlichen Intelligenz im Verlauf der folgenden Kapitel ausführlich dargelegt werden.

Konzeptdiagramm der digitalen Transformation
Abbildung 2: Konzeptdiagramm zur Komplexität der digitalen Transformation nach C. Gong/V. Ribiere8

Das Konzept der digitalen Transformation richtet sich also nicht nur auf spezifische Änderungen in kleinen Unternehmensteilen zur Umsetzung einzelner konkreter Digitalisierungsprojekte. Es umfasst vielmehr ganze Organisationen, die vernetzte Geschäftswelt, die Industrie und schließlich die komplette Gesellschaft, indem das Werteversprechen eines Unternehmens neu definiert und zum Vorteil der Kunden, Angestellten und Geschäftspartner gestärkt wird. Hierdurch ergeben sich vielfältige Verflechtungen zwischen digitalen Dienstleistungen, neuen Geschäftsprozessen und -modellen bis hin zu neuen Plattformökonomien – mehr dazu im folgenden Abschnitt.

3.2. Digitale Dienstleistungen und Geschäftsprozesse

Technologische Fortschritte ermöglichen neben digitaler Vernetzung und Automatisierung auch einen immer breiteren Einsatz von künstlicher Intelligenz und prädiktiver Analyse großer Datenmengen. In Kombination mit sich verändernden Kundenerwartungen entstehen hierdurch revolutionäre Märkte und Geschäftsmodelle.9 Die folgenden Entwicklungen haben die letzten Jahrzehnte geprägt:10 11

Entstehung von Produkt-Service-Systemen
Abbildung 3: Funktionsorientierte Geschäftsmodelle führen zur Servitisierung von Produkten und zur Produktifizierung von Services12 13
  • Servitisierung von Produkten: Produkte werden mit ergänzenden Dienstleistungen kombiniert und die Leistung der Produkte wird vermarktet – statt des traditionellen Produktverkaufs; damit verschieben sich die Umsatzanteile vom klassischen Produktverkaufsgeschäft hin zum Service- oder Selfservice-Geschäft.
  • Produktifizierung von Dienstleistungen: Serviceleistungen werden zunehmend wie physische Produkte vertrieben, beispielsweise per Software.
  • Die Servitisierung von Produkten und Produktifizierung von Dienstleistungen hat zur Entstehung und Entwicklung von Produkt-Service-Systemen (PSS) geführt: Ein Nutzen wird angeboten – und nicht ein Produkt oder eine Dienstleistung; dieser Nutzen entsteht durch eine Kombination von Produkten und Dienstleistungen.
  • Plattformkonzepte dienen als Tool für die Umsetzung bestimmter PSS-Aspekte.
  • Dies ermöglicht eine kundennahe und datengetriebene Ausdifferenzierung des Nutzenversprechens und (als übergeordnetes PSS-Ziel) die ganzheitliche Erfüllung eines Nutzenbedürfnisses.

Die Kundenschnittstelle als strategische Schlüsselposition spielt eine noch wichtigere Rolle als vor einigen Jahrzehnten. Zunehmend nehmen Endverbraucher eine aktive Position in Wertschöpfungsprozessen ein. Zentraler Treiber des IKT-induzierten Wandels ist letztendlich der Nutzer. Das Leistungsangebot, der Kundenservice und das Geschäftsmodell im Allgemeinen werden auf Basis einer Analyse kundenspezifischer Präferenzen beziehungsweise des Nutzungsverhaltens verfeinert.14 Konkret äußern sich diese Entwicklungen in Geschäftsmodellen, die auf digitalen Plattformen basieren, siehe Amazon, Google, Uber oder Airbnb. In Deutschland haben Firmen wie CheMondis und Metalshub das Potenzial der Plattformökonomie rechtzeitig erkannt und sich im B2B-Bereich erfolgreich profiliert. Im Vergleich zu Amerika und Asien hält sich die Anzahl der großen plattformbasierten Unternehmen in Europa aber noch in Grenzen.15 Große Plattformbetreiber steigen immer häufiger in etablierte Märkte ein und übernehmen die Kundenschnittstelle: Amazon im Bereich Retail und durch die Bereitstellung einer Software-Entwicklungsplattform (mit Amazon Web Services), Google im Bereich Mobilität (mit Mobilityhero-Flottenmanagement16 und autonomen Fahrzeugen von Waymo17), Alibaba18 in den Bereichen Retail und Textilienproduktion on demand (mit der digitalen Fabrik von Xunxi19).

Die Dynamik, die aus dem Zusammenspiel von sich verändernden Technologien, Geschäftsmodellen und Werten entsteht, zwingt Unternehmen dazu, disruptive Technologien mit hohem potenziellem Mehrwert für Nutzer zu erkennen und entwickeln. Sie benötigen dafür Geschäftsmodelle, die ökonomische, ökologische und soziale Ziele erfüllen. Das Umfeld befindet sich im Wandel, Unternehmen müssen sich selbst verändern, um ihre Marktführerschaft zu verteidigen und wettbewerbsfähig zu bleiben, und zwar schnell, bevor große Plattformbetreiber ihre Märkte monopolisieren. Für etablierte Firmen (auch im B2B-Bereich) besteht die Gefahr, den Kontakt zu den Nutzern ihrer Lösungen zu verlieren. Der Eintritt vieler großer Plattformbetreiber auch in den Hardwarebereich (OEMs für selbstfahrende Autos gelten als Zeichen dafür) schwächt die Position etablierter Unternehmen zusätzlich. Bei dieser drohenden Schwächung stellt sich die Frage, welchen Mehrwert die etablierten Firmen (etwa aus der Maschinenbau- oder Chemiebranche) den Nutzern ihrer Lösungen bringen können, wenn sie zu Zulieferern für die Plattformbetreiber degradiert werden.

3.3. Neue Generation der digitalen Transformation

In den Medien und der Literatur wird vielfach der Begriff einer digitalen Transformation 2.0 postuliert.20 21 Die Ausführungen beschreiben die Entwicklung des „Internet of Things (IOT)“ hin zu einem „Internet of Everything (IOE)“22 sowie die verstärkte Integration von künstlicher Intelligenz23 mit weitreichenden sozioökonomischen Auswirkungen. Jedoch fehlt bei all diesen unterschiedlichen Beschreibungen eine übergeordnete Struktur. Diese Studie legt ein wesentliches Augenmerk auf die grundsätzlichen Regeln und Strukturen der Vernetzung zwischen Nutzern, Kunden, Herstellern, Lieferanten und Zwischenhändlern. Auch die Ausgestaltung benötigter Dienstleistungen und Rahmenbedingungen, die gemeinsam in dem Handelsmodell der Plattformökonomie aufgehen, spielt eine Rolle.

Digitale Transformation 2.0
Abbildung 4: Stufen der Transformation24

3.3.1. Plattformökonomie

Plattformökonomie ist ein Begriff, der den wirtschaftlichen Ansatz der derzeit wertvollsten Unternehmen der Welt charakterisiert, die anstelle von Produkten plattformbasierte Leistungen anbieten.25 Laut Nicholas L. Johnson26 verfügt jede Plattform, die nach den plattformökonomischen Ansätzen agiert, über eine sogenannte Kerntransaktion. Sie bestimmt die Art und Weise, wie Produzenten und Konsumenten Werte schaffen und konsumieren. Die Kerntransaktion besteht aus einer Reihe von Aktionen, die die Nutzer durchführen müssen, um auf der Plattform einen Wert auszutauschen; sie ist das Fundament für jedes Plattformgeschäft.

Egal, wie man es betrachtet: Jede Plattform besitzt eine Kerntransaktion. Bei Uber geben die Fahrer an, ob sie fahren wollen, während die Kunden Anfragen für Fahrten stellen. Auf YouTube laden Produzenten Videos hoch und Verbraucher finden, sehen, bewerten und teilen sie. Mit Android laden Verbraucher Apps herunter und nutzen sie, während Entwickler sie erstellen und veröffentlichen. Diese einfachen Beispiele verdeutlichen den Hauptzweck der Kerntransaktion: Den Aufbau einer Reihe einfacher, wiederholbarer Aktionen, die Produzenten und Konsumenten durchführen können, um Werte zu schaffen und zu konsumieren. Hierbei handelt es sich um den wichtigsten Prozess, den man bei der Entwicklung einer Plattform verstehen muss, und eine der ersten Entscheidungen, die beim Plattformdesign zu treffen sind. Im Großen und Ganzen setzt sich die Kerntransaktion in jeder Plattform aus vier Aktionen zusammen. Diese sind:

  • Erzeugen: Ein Produzent schafft einen Wert und stellt ihn über die Plattform zur Verfügung.
  • Verbinden: Ein Nutzer führt eine Aktion durch, die ihn mit diesem Wert verbindet.
  • Konsumieren: Ein Nutzer konsumiert den vom Produzenten geschaffenen Wert.
  • Kompensieren: Der Verbraucher gibt dem Produzenten den Wert der Leistung zurück, die er konsumiert hat.

Durch die Erleichterung der Kerntransaktion schaffen Plattformen Werte. Alle vier Aktionen sind notwendig, damit eine Plattform Transaktionen erfolgreich abwickeln kann. Zusammengenommen bieten sie den Nutzern eine wiederholbare Möglichkeit zum Austausch von Werten. Mit anderen Worten: Sie stellen einen einfachen Prozess bereit, durch den Plattformen Transaktionen „herstellen“.

Grundelemente der Plattformökonomie
Abbildung 5: Grundelemente der Plattformökonomie27

Der Plattformbetreiber kümmert sich neben der nutzerbasierten Kerntransaktion generell um vier zentrale Anliegen:

  • Anzahl der interessierten Nutzer ständig erhöhen.
  • Vernetzung und das Matchmaking zwischen den Nutzern gewährleisten.
  • Werkzeuge und Services bereitstellen.
  • Regeln und Standards auf der Plattform definieren und deren Umsetzung garantieren.

Die Nutzerorientierung führt zu einem völlig neuen Zielsystem der Plattformökonomie und unterscheidet sich fundamental von herkömmlichen Zielsystemen. Traditionelle Firmen skalieren über die Anzahl der produzierten Produkte einer Anlage, hier steht besonders die Kostenreduktion der produzierten Produkte im Zentrum der Optimierung. Bei einem modernen, plattformökonomisch orientierten Unternehmen richtet sich das Interesse auf die Skalierung der Nutzerbasis. Hier geht es um eine Kostenreduktion der Plattformkosten pro User und der potenzielle Mehrwert des Nutzers für die Plattform wird optimiert. Kunden einer digitalen Plattform können Nutzer sein, sind aber sehr oft auch Dritte, die nicht an der Kerntransaktion teilnehmen, sondern beispielsweise per indirektem Geschäftsmodell (Werbung) an der Plattform partizipieren.

Hyperscaler fokussieren sich kompromisslos auf Plattformökonomie
Abbildung 6: Vergleich zwischen etablierten Unternehmen und Hyperscalern

Als Plattformökonomie kann man nach L. Fitzgibbons die Tendenz der Wirtschaft verstehen, sich immer stärker hin zu Geschäftsmodellen basierend auf digitalen Plattformen zu entwickeln und diese den herkömmlichen Entwürfen vorzuziehen.28 Hierbei kommen Computersysteme zum Einsatz, welche die benötigten Services zur Verfügung stellen. Sie sorgen für die Vernetzung von Verbrauchern, Start-ups, etablierten Firmen und der gesamten Öffentlichkeit, um Ressourcen zu teilen oder Produkte zu verkaufen. Es existieren unterschiedliche Typen von Plattformen:29

  • Transaktionsplattformen dienen als virtueller Marktplatz oder Treffpunkt für unterschiedlichste Gruppen von Personen (zum Beispiel Amazon oder Ebay).
  • Innovationsplattformen bieten einen technologischen Rahmen und Softwareprodukte an, die an die individuellen Bedürfnisse angepasst werden können, um eigene Ideen zu entwickeln (beispielsweise Mendix oder ThingWorx).
  • Investitionsplattformen verfolgen eine Plattformportfoliostrategie und agieren oft als Holding, etwa Swissquote (Tradingplattform für internationales Investment mit Analysetools und automatisierten Portfolios)30 oder Xsolla (Finanzierungsökosystem zur Abstimmung der Interessen unabhängiger Spieleentwickler und akkreditierter Investoren)31.
  • Integrierte Plattformen sind eine Kombination aus den vorher genannten, zum Beispiel Apple oder Google.

Neben dem Nutzerverhalten beeinflusst die Plattformökonomie auch den Arbeitsmarkt, indem sie etwa neue Anforderungen an die Arbeitskräfte stellt. Man bedenke nur, wie viele Funktionen im Arbeitsleben digitalisiert oder komplett durch eine neue Technologie ersetzt wurden. Die Plattformökonomie kann sich disruptiv auf traditionelle Geschäftsformen wie den Einzelhandel auswirken, bedient sich hierbei aber bei bekannten Konzepten innerhalb des ökonomischen Ökosystems.32

Das Verständnis der Plattformökonomie lässt sich aus einer Vielzahl von Quellen ableiten. So gilt sie – vereinfacht formuliert – als Markenzeichen der digitalen Transformation33 oder als einflussreichster Megatrend der digitalisierten Welt34. Plattformen haben sich in nahezu jedem Bereich des Lebens wie Mobilität, Fertigung oder Gesundheitswesen etabliert, wobei Marktführer ihre eigenen Plattformen aufbauen und eine Vernetzung zu fremden Plattformen realisieren.

3.3.2. Warum Hyperscaler eine Schlüsselrolle bei der digitalen Transformation einnehmen

Bei der Hyperskalierung geht es darum, eine hochperformante Skalierung bei der Datenverarbeitung zu erreichen – in der Regel für Big Data oder Cloud-Computing. Eine Hyperscale-Infrastruktur ist auf horizontale Skalierbarkeit ausgelegt und ermöglicht ein hohes Maß an Leistung, Durchsatz, Redundanz und Verfügbarkeit. Häufig kommen beim Hyperscale-Computing hochgradig skalierbare Serverarchitekturen und virtuelle Netzwerke zum Einsatz. Unternehmen entscheiden sich aus vielen verschiedenen Gründen für Hyperscale-Computing. Manchmal ist Hyperscale die beste oder einzige Methode, um ein bestimmtes Geschäftsziel zu erreichen, etwa die Bereitstellung von Cloud-Computing-Diensten. Im Allgemeinen stellen Hyperscale-Lösungen jedoch die kostengünstigste Möglichkeit dar, eine Reihe anspruchsvoller Anforderungen zu erfüllen. Hyperscale-Computing wird häufig mit Internetinfrastruktur in Verbindung gebracht, die für den Betrieb großer verteilter Websites erforderlich ist.

Hyperscaler beziehungsweise Firmen mit Hyperscale-Strukturen sind also Unternehmen, die große, weltweit verteilte Rechenzentren betreiben und anderen Firmen Rechenleistung, Speicherplatz und Netzwerkkapazität als Cloud-Computing zur Verfügung stellen. Dazu zählen Konzerne wie Alibaba, Amazon mit Amazon Web Services (AWS), Microsoft mit Microsoft Azure und Google mit Google Cloud. Das Leistungsportfolio von Hyperscalern umfasst die Bereitstellung sowohl von Infrastrukturdiensten (Infrastructure as a Service, IaaS) als auch von Technologieplattformen (Platform as a Service, PaaS), die bei der Entwicklung eigener Anwendungen oder der Erweiterung bestehender Lösungen eine Rolle spielen. Hyperscaler nehmen somit eine Schlüsselposition bei der digitalen Transformation von Unternehmen ein und bilden auch die technologische Basis für neue Geschäftsideen und -modelle.35

Der Aufbau einer Infrastruktur durch Hyperscaler erfordert hohe und langfristige Investitionen. Das Marktforschungsinstitut Synergy Research schätzt, dass Google im ersten Quartal 2021 rund sechs Milliarden Dollar ausgegeben hat – ähnlich viel wie Microsoft, aber nur halb so viel wie AWS.36 Außerdem entwickeln Hyperscaler den Großteil ihrer Technologie selbst. Dieser ODM-Ansatz (Original Design Manufacturer) ermöglicht es Rechenzentren, Kosten zu sparen und gleichzeitig die Kontrolle und Flexibilität bei der Implementierung der Hardware zu erhöhen.

3.4.3. Wie Hyperscaler die Plattformökonomie prägen

Die Plattformen der großen Hyperscale-Anbieter eröffnen Kunden viele Vorteile. Dazu gehören:37

  • Kosten: Die enormen Investitionen des Hyperscale-Anbieters in Tools und geistiges Eigentum machen den Zugang zur Cloud und deren Nutzung zur Erweiterung und zum Ausbau der Kundenkapazitäten extrem günstig.
  • Skalierbarkeit: Die Hyperscale-Plattformen eröffnen die Möglichkeit, schnell und nahtlos immense Mengen an Aktivitäten und Daten zu verarbeiten.
  • Interoperabilität: Die Cloud-Plattform des Hyperscale-Anbieters lässt sich mit anderen Systemen desselben Anbieters kombinieren, sodass die Kosten für die Implementierung und Integration der Plattform für den Kunden geringer ausfallen.

Dass diese Vorteile von vielen Unternehmen genutzt werden, ist leicht nachvollziehbar. Allerdings hat die Entscheidung für einen Hyperscale-Cloud-Anbieter weitreichende Folgen, deren sich die Unternehmensleitung bewusst sein sollte. Denn die Hyperscale-Cloud-Anbieter beginnen, Branchen- und Funktionswissen zu entwickeln, das die Plattforminvestitionen auf dem Markt prägt. Mit den Einblicken in andere Branchen und die dort üblichen Geschäftsmodelle sind die großen Hyperscaler in der Lage, die Richtung zu diktieren, in die sich die Plattformen künftig entwickeln. Das bringt Vorteile wie Nachteile gleichermaßen. So engagieren sich die Hyperscale-Cloud-Anbieter für den Aufbau von Ökosystemen mit gemeinsamen Tools, was zu Standardisierung und Integration führt. Außerdem offerieren sie Speicherplatz und eine Vielzahl an Funktionen, die Kunden beim Aufbau ihrer eigenen Plattformen nutzen können. Allerdings sind die Folgen erheblich und führen zu einem „Vendor Lock-in“:38

  • Die Anbieter von Hyperscale-Cloud-Plattformen bauen „Walled Gardens“ auf, indem sie Allianzen mit anderen Anbietern eingehen, die im Ökosystem des Kunden zu notwendigen Diensten werden (zum Beispiel Datenmanagement, Tests und KI-Dienste).
  • Damit schließen sie die Nutzung der Tools und Fähigkeiten anderer Anbieter aus.
  • Ihre Strukturen erschweren die Arbeit in Multi-Cloud-Umgebungen und die Verlagerung von Aufgaben von der Cloud-Plattform eines Anbieters auf eine andere.

3.3.4. Zukünftige Entwicklungen der Hyperscaler

Wie sieht die Zukunft aus? Werden diese großen Unternehmen weiterhin die Branche dominieren, die Konkurrenz ausschalten und möglicherweise andere Sektoren auf den Kopf stellen? Hyperscaler sind laut vorherrschender Meinung dabei, die Onlinewelt radikal zu verändern. Die erwähnten Techniken sind nur einige der Faktoren, die es Unternehmen wie Google ermöglicht haben, nie dagewesene Erfolge an den internationalen Kapitalmärkten zu erzielen. Es lässt sich nicht prognostizieren, was Hyperscalern bevorsteht, doch laut den Kapitalmärkten blicken sie in eine glänzende Zukunft. Diese Einschätzung der Kapitalmärkte ist ein wichtiger Fakt für die Argumentation der Forschungsstudie und der damit verbundenen These, dass die digitale Transformation zentral für alle anderen Transformationsprozesse zu sein scheint.

Von Embedded-Intelligence-Dingen zu Embodied-Intelligence-Nutzern von Plattformökonomien
Abbildung 7: Embodied Intelligence als Nutzer der Plattformökonomie

Wie die Zukunft der Hyperscaler beziehungsweise von Unternehmen mit hyperscalerähnlichen Strukturen aussieht, lässt sich am Beispiel der autonomen Maschinen erklären: Autonome Fahrzeuge, die bisher nicht nur in der Automobilindustrie entwickelt und erforscht werden, gelten nur als Vorboten einer ganzen Generation von autonomen Maschinen, die mit hoher Selbstständigkeit die unterschiedlichsten Aufgaben wahrnehmen. Beispiele finden sich im Bereich der Mobilität sowie in der Landwirtschaft, aber auch in der Produktion und in der Wartung, Überwachung und Kontrolle von technischen Anlagen. Dabei zeichnet sich ab, dass die großen, vernetzten Cloud-Plattformen auch für solche autonomen Maschinen von höchster Bedeutung sind. Dahinter steckt die Vision, dass Cloud-Plattformen viele Dienste bereitstellen, die von autonomen Maschinen genutzt werden. Die Strategie, um dies zu erreichen, sollte sich am Erfolgsmodell von Firmen wie Apple und Tesla orientieren. Sie bauen die Plattformökonomie beziehungsweise die Plattform schrittweise um hochintegrierte, intelligente Maschinen herum auf.

Diese Maschinen sind dazu in der Lage, Funktionen im Sinne einer Kerntransaktion eigenständig auf einer Plattform anzubieten. Bei derartigen Maschinen mit autonomem Fahrvermögen, welche ähnliche Rollen wie menschliche Nutzer in der Plattformökonomie einnehmen können, handelt es sich um Maschinen mit verkörperter Intelligenz, der sogenannten Embodied Intelligence. In technischer Hinsicht geht es bei diesen autonomen Maschinen in Verbindung mit virtuellen Cloud-Plattformen um sogenannte Cyber Physical Systems (CPS) mit einem dezentralen und einem zentralen „Gehirn“, die in der Kombination die speziellen Anforderungen der Plattformökonomie erfüllen. Insbesondere diese Details unterscheiden den Ansatz der Embodied Intelligence von CPS-Systemen. CPS-Systeme sind laut Definition39 mechanische Komponenten, Software und moderne Informationstechnik. Durch die Vernetzung der einzelnen Komponenten über Netzwerke wie das Internet lassen sich komplexe Infrastrukturen steuern, regeln und kontrollieren. Der Austausch von Informationen der miteinander vernetzten Gegenstände und Systeme kann in Echtzeit drahtlos oder kabelgebunden erfolgen. Dabei sind unterschiedliche Unternehmen und auch Endkunden in solchen Szenarien auf vielfältige Art beteiligt: als Hersteller der autonomen Maschinen, Produzenten der Plattformen, aber auch als Betreiber der Maschinen und der Plattformen und als deren Kunden. Zudem ist zu erwarten, dass derartige autonome Maschinen sich gegenseitig nutzen, ergänzen und unterstützen. Auf diese Weise entstehen neue, virtuell gesteuerte Landschaften von autonomen Systemen und Maschinen, die in unterschiedlichen Anwendungsbereichen eingesetzt werden können.

Embodied Intelligence als Nutzer digitaler Plattformen und als Basis digitaler und physikalischer Wachstumsmärkte
Abbildung 8: Embodied Intelligence und Skalierbarkeit
  1. Leodolter, W.: „Will Organizations Emerge as Hybrid Intelligences from the Digital Transformation?“, in: Digital Transformation Shaping the Subconscious Minds of Organizations, Springer (2017): https://doi.org
  2. Salesforce: „What Is Digital Transformation?“: www.salesforce.com
  3. Gartner: „Digital Transformation“: www.gartner.com
  4. Die Medialen: „Digitale Transformation“: www.diemedialen.de
  5. Die Medialen: „Digitale Transformation“: www.diemedialen.de
  6. Gong, Cheng; Ribiere, Vincent: „Developing a unified definition of digital transformation“, Technovation, Volume 102 (2021), 102217, ISSN 0166-4972: https://doi.org
  7. Gong, Cheng; Ribiere, Vincent: „Developing a unified definition of digital transformation“, Technovation, Volume 102 (2021), 102217, ISSN 0166-4972: https://doi.org
  8. Gong, Cheng; Ribiere, Vincent: „Developing a unified definition of digital transformation“, Technovation, Volume 102 (2021), 102217, ISSN 0166-4972: https://doi.org
  9. Bormann, René et al.: „Die Zukunft der deutschen Automobilindustrie – Transformation by Disaster oder by Design?“, Friedrich-Ebert-Stiftung (2018): http://library.fes.de
  10. Baines, T.S. et al.: „State-of-the-art in roduct-service systems“, Journal of Engineering Manufacture, Vol. 221 No. 10 (2007): https://doi.org
  11. Zimmerman, Jon: „What are the best examples of Product service systems (function-oriented business model) in terms of improved sustainability?“, Quora (2014): www.quora.com
  12. Baines, T.S. et al.: „State-of-the-art in roduct-service systems“, Journal of Engineering Manufacture, Vol. 221 No. 10 (2007): https://doi.org
  13. Grafik basiert auf Zimmerman, Jon (2014): www.quora.com
  14. BMWi: „Digitale Transformation – Wie Informations- und Kommunikationstechnologie etablierte Branchen grundlegend verändern“, fortiss GmbH (2016), S. 86–89: http://download.fortiss.org
  15. Schmidt, Holger: „Top-100-Plattformen der Welt“ (2020): www.netzoekonom.de
  16. www.alphabet.com
  17. www.waymo.com
  18. Alibaba Group Holding Limited: „Alibaba Unveils New Manufacturing Digital Factory“ (2020): www.alibabagroup.com
  19. Xunxi Digital Factory: „Start of digital garment factory Xunxi Digital Factory“ (2020): www.tadviser.com
  20. i8 Ventures: „Moving from Digital Transformation 1.0 to 2.0“ (2019): https://i8.ventures
  21. Chaudhury, Debjani: „Digital Transformation 2.0 Stepping into the Post-Corona Era With Revised Considerations“ (2020): https://enterprisetalk.com
  22. Parmar, Dipti: „How IoT is fuelling digital transformation 2.0 for leading digital companies“ (2021): https://iottechnews.com
  23. Weinschenk, Carl: „Digital transformation 2.0: Everything revolves around the edge – IDC report“ (2018): www.fiercetelecom.com
  24. Gong, Cheng; Ribiere, Vincent: „Developing a unified definition of digital transformation“, Technovation, Volume 102 (2021), 102217, ISSN 0166-4972: https://doi.org
  25. Siemens AG: „Platform Economy“: www.plm.automation.siemens.com
  26. Johnson, L. Nicholas: „The Core Transaction: How Platforms Facilitate Exchange“, www.applicoinc.com
  27. Johnson, L. Nicholas: „The Core Transaction: How Platforms Facilitate Exchange“, www.applicoinc.com
  28. Fitzgibbons, Laura: „Platform economy“ (2019): https://searchcio.techtarget.com
  29. OED Denkfabrik: „Welche Plattformen-Typen gibt es?“ (2019): https://de.readkong.com
  30. https://de.swissquote.lu
  31. Businesswire: „Xsolla startet Investitionsplattform für Spiele“ (2021): www.businesswire.com
  32. Fitzgibbons, Laura: „Platform economy“ (2019): https://searchcio.techtarget.com
  33. Pergenz: „Das Plattform­geschäft: Wie die Community die Zukunft erobert“: www.pergenz.de
  34. PwC: „Digital Innovation & Platform Business“, www.pwc.de
  35. Pietsch, Steffen: „Gezielt abwägen, unbegrenzt skalieren“ (18.01.2021): www.dsag.de
  36. Holzki, Larissa; Kerkmann, Christof: „Milliardeninvestitionen: Google startet die Aufholjagd im Cloud-Geschäft“, Handelsblatt (23.06.2021): www.handelsblatt.com
  37. Bendor-Samuel, Peter: „Hyperscale Cloud Providers Shaping The Platform Marketplace“, Forbes (02.03.2020): www.forbes.com
  38. Bendor-Samuel, Peter: „Hyperscale Cloud Providers Shaping The Platform Marketplace“, Forbes (02.03.2020): www.forbes.com
  39. Bendel, Oliver: „Cyberphysische Systeme“, Gabler Wirtschaftslexikon (13.07.2021): https://wirtschaftslexikon.gabler.de